Archiv der Kategorie ‘Allgemein’

14. November 2008

Kontraproduktiv

Kontraproduktiv ist es, wenn eine Raiffeisenwerbung auf dem Bund klebt und nicht abgelöst werden kann, ohne dass der darunter liegende Text mitentfernt wird. Die Angesprochenen (also zum Beispiel ich) ärgern sich nur über die Raiffeisenbank und über die Tageszeitung.

Kontraproduktiv ist es, für ein besseres Sicherheitsgefühl Innenstadt und Bahnhof mit Polizei, Securitas, Jimmy Hofers und ähnlichem zu übersähen. Das dadurch in mir ausgelöste Gefühl hat nichts mit Sicherheit, sondern nur mit Beklemmung zu tun.

Und schlussendlich ist es kontraproduktiv, wenn vor meinem Bürofenster lautstark Herbstlaub herumgeblasen wird. Das Laub verschwindet dadurch nicht, sondern wird nur an eine andere Stelle vertrieben (etwa so, wie die Drogenszene in Bern), dafür ist in den Büros ans Arbeiten nicht mehr zu denken.

Nennt man dies Generierung von Arbeitsplätzen?

17. Oktober 2008

Was die Eigenheimfinanzierung mit testosterongeschwängerten Finanzmärkten zu tun hat

Ich habe zwar trotz der Lektüre von Kapitalanlage für Dummies keine grosse Ahnung von der Welt der Börsen und Finanzen. Trotzdem habe ich mich in letzte Zeit angesichts der Finanzkrise zu fragen begonnen, was die Banken, auf denen mein Geld liegt, zu dieser Situation zu sagen haben. Eine kleine Surferei durch die Seiten der Banken brachte folgende Antwort zu Tage: nichts… Fröhlich lachende Gesichter, “der Klick zum Glück” und “Vorwärtskommen durch Vorsorgen” (BEKB), “Der Traum vom Eigenheim” und “Ihr Schlüssel zur Pensionsplanung” (Bank in Huttwil), kurz: Friede, Freude, Eierkuchen, aber keine Stellungnahme zur Aktualität, keine Informationen für die besorgte Kundschaft. Und das Tüpfelchen auf dem i: auch von der Crédit Suisse flattert mir noch ein Mail zur Eigenheimfinanzierung (mit lachenden Gesichtern, selbstverständlich) in die Mailbox!

Die erfreuliche Ausnahme ist die alternative Bank (ABS), die mir schon wegen ihren ethischen Grundsätzen sympathischer und vertrauenswürdiger scheint als ihre Kolleginnen. Gleich auf ihrer Empfangsseite findet sich eine zweiseitige Mitteilung zur Finanzmarktkrise. Natürlich schiebt sich auch die ABS keinen schwarzen Peter in den Schuh, sie lässt sich im Bericht relativ gut dastehen. Aber immerhin nimmt sie Stellung und verkauft die Kundschaft nicht für dumm wie andere, die die Geschehnisse schweigend übergehen und so tun, als ob nichts passiert wäre.

Und für alle, welche ihr Geld auf den Banken nicht mehr sicher wähnen, hier der ultimative Tip vom Neurologieprofessoren Joe Herbert, gelesen letzte Woche in der Weltwoche: Schnappt euch den nächstbesten Mann, vertraut ihm euer Geld an, und er wird es dank seiner Testosteronfülle sicher für euch aufbewahren. Passt aber auf, dass ihr keinen Protomacho erwischt, denn ein Zuviel des Hormons ist kontraproduktiv! Da ist ja nur zu hoffen, dass sich das Testosteron in der Finanzwelt wieder auf dem richtigen Niveau einpendelt…

3. Oktober 2008

Vegetarische Leiden akademisch

Ein kleiner Nachtrag zum letzten Eintrag: Inzwischen hat auch die Mensa Miséricorde nach dem sommerlichen Umbau wieder ihre Tore geöffnet. Das auf der Homepage angekündigte tägliche vegetarische Menü ist ein - grosse Überraschung! - Beilagen- und Salatbuffet. Auf diesem findet sich auch ein kleines vegetarisches Extra (gestern: Brochettes des boulettes de céréales, lauwarm und fad), das im Wochenmenuplan vergeblich gesucht wird. Bezahlt wird alles pro 100 g, was wesentlich teurer kommt als die Fleischmenus. Auch an der Uni Fribourg stimmt also das Preis-Leistungsverhältnis für Vegis (noch?) nicht…

23. September 2008

Vegetarische Leiden ennet dem Röstigraben

Seit ich in Fribourg arbeite, fallen mir vor allem zwei Dinge auf, die die Stadt von Bern unterscheiden, obwohl nur gut 20 Zugminuten dazwischen liegen: Die Auto Fahrenden haben meistens nicht die Absicht, vor Zebrastreifen zu halten (frau kann dies allerdings durch böse Blicke erzwingen), und als Vegetarierin gehöre ich hier eindeutig zum Bereich des Exotischen. Vegetarische Angebote, vor allem bei den günstigen Tagesmenüs, sind rar. Die Lösung, à la carte zu bestellen, ist in mehrfacher Hinsicht unbefriedigend: sie ist wesentlich teurer als das Tagemenü (was bei einer Vollzeitarbeit mit entsprechender Auswärtsverpflegung das Portemonnaie ziemlich belastet), das Angebot ist ähnlich eingeschränkt wie bei diesem, und Proteine finden sich höchstens in Form von Reibkäse auf den Teigwaren (Adieu, geliebte Muskeln!). Bei Migros und Coop beschränkt sich das Vegi-Angebot auf das Beilagen- und Salatbuffet, für vegetarische Alternativen sei die Nachfrage nicht vorhanden. Interessanterweise ist das Vegimenü im Restaurant des Staatspersonals, einem der wenigen Orte, wo so etwas vorgesehen ist, meistens als erstes ausverkauft (Es nähme mich schon Wunder, über welche Wege die fehlende Nachfrage dorthin kanalisiert wird!) und so haben wir schon oft vergeblich einen Drittel unserer Mittagspause für den langen Weg zu erhofften vegetarischen Genüssen geopfert. Die Rettung liegt in der Nähe: Nun da das Take-Away Bio-Tip semesterbedingt aus dem Sommerschlaf erwacht ist, werde ich, sofern es die Temperaturen zulassen, mittags wieder dorthin pilgern und zwischen Strasse und Garage die absolut köstlichsten Falafel der Schweiz geniessen - Gemüse, Salat und Eiweiss inbegriffen, und dies alles unschlagbar günstig!

23. Februar 2008

Von der heiligen, Eier legenden Wollmilchsau Fussball

Die nicht eben elegante Euro-Uhr auf dem Kornhausplatz in Bern zeigt es unübersehbar: Die Euro 08 rückt immer näher. Ein grosses Fest soll es werden, die Stadt überflutet mit Fussballfans, die über den neuen Bahnhofplatz richtung Altstadt strömen. Alle wollen sich ein Stück vom Kuchen abschneiden: BeizerInnen und Tourismusverantwortliche hoffen auf Rekordumsätze, in der Migros erfreuen neben anderen Extras sogar M’08-Äpfel mit weissem Schweizer Kreuz die Augen, obschon die UEFA von der Emsigkeit, mit der sich der orange Riese um die Fussballfans bemüht, nicht eben angetan ist.

Nicht eben angetan bin auch ich vom Rummel um den Ball. Nur zu gut habe ich die WM-Fans von 2006 in Erinnerung, die ihrer Freude nicht unmotorisiert mit einem Fest Ausdruck verliehen, sondern mit dem Auto die Strassen verstopften und mich mit Hupkonzerten in der Nacht aus dem Schlaf rissen - ich muss mich wohl glücklich schätzen, dass sie mich nicht gleich mit ihren schwenkenden Fahnen vom Velo gerissen haben… Angesichts der Tatsache, dass die EM im Gegensatz zur WM hier in meiner Stadt stattfinden soll, plagen mich deshalb langsam aber sicher unheilvolle Fantasien: in der Stadt kein Durchkommen mehr vor lauter Public Viewing, die Kinos geschlossen, das Aareufer übersäht von leeren Bierflaschen und ausnüchternden Fussballfans, die gemütlichen Gartenbeizen mit Fernsehern und Leinwänden jeglicher Grösse dekoriert.

Benedikt Weibel, der Euro-08-Delegierte des Bundesrats, rät im Bund-Samstaginterview von heute den Fussballmuffeln - seiner Ansicht nach handelt es sich um wenige Prozente der Bevölkerung - einen grossen Bogen um die Euro zu machen. Nicht ganz einfach, wenn frau mitten in der Stadt wohnt… Trotzdem will ich seinen Ratschlag befolgen, kratze mein Jahresferienpensum zusammen und werde mich im Juni von dannen machen.

Übrigens: nicht nur an der Ferienmesse im Januar habe ich etliche Leute mit ganz ähnlichen Plänen getroffen. Ob es etwa doch nicht so wenige sind, die vom “Volksfest” in die Flucht gejagt werden? Und zugegeben: Ein kleines bisschen Schadenfreude verspüre ich schon darüber, dass sich noch nicht einmal genügend freiwillige HelferInnen gefunden haben (Bund vom 17.2.08)…

9. Februar 2008

Itze längts!

Itze längts“, so der Name der Petition eines bürgerlichen Komitees in Bern: 22′800 Unterschriften für mehr Sicherheit und gegen Demonstrationen, Bettelei, Dreck und die offene Drogenszene. Im Visier hat das Komitee Drogenabhängige, randalierende Jugendliche und AusländerInnen und mögliche Kombinationen dieser Gruppen.

Dem kann ich nur entgegenhalten: Mir längts itze de ou. Mir reicht die Bettelei von Cablecom-Angestellten im Anzug, lieber gebe ich einem weniger schick angezogenen Bettler einen Fünfliber, als dass ich mir nur eine halbe Minute Cablecomgesülz anhören muss. Während Demonstrationen muss man sich bekanntlich mehr vor der Polizei als vor den Teilnehmenden fürchten. Der schädlichste Schmutz, sowohl für unsere Gesundheit als auch für die Umwelt, wird durch den motorisierten Privatverkehr verursacht.

Und zur Sicherheit: Ich habe wesentlich weniger Angst davor, nachts alleine zu Fuss die Stadt zu durchqueren als in der Stosszeit mit dem Velo. Während ich mich von den oben erwähnten Gruppen fast nie bedroht fühle, sehe ich mich fast täglich konfrontiert mit rücksichtslosen AutofahrerInnen, die die grundlegendsten Vortritts- und sonstigen Verkehrsregeln vergessen, wenn das Gegenüber auf dem Velo sitzt. In vielen Situationen kommt mir der Angstschweiss, und ich werde mir meiner Verletzlichkeit gegenüber dieser blechbewaffneten Mehrheit bewusst.

Ich kenne zwar die Statistiken nicht, aber ich bin ziemlich sicher, dass auch sie mir Recht geben würden in der Annahme, dass der Strassenverkehr wesentlich mehr Opfer fordert als drogenabhängige jugendliche ausländische Randalierer. Diese Gefahr wird zur Kenntnis genommen und akzeptiert und hat nicht den leisesten Aufschrei zur Folge. Ich nehme also an, dass nicht tatsächliche Verhältnisse zu oben stehenden Forderungen führen, sondern allein politische und wirtschaftliche Interessen: Der grosse Teil der wählenden und einkaufenden Bevölkerung ist nicht drogenabhängig, nimmt für sich aber die grenzenlose Mobilität mit dem Auto als persönliches unantastbares Recht in Anspruch.

Wie lange wollen wir uns diese von Eigeninteressen verdrehte Optik noch aufdrängen lassen? Wann wird es endlich nicht mehr als persönliche Freiheit jedes Einzelnen betrachtet, andere zu gefährden?