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20. Juni 2010

Flächendeckende Langeweile

Ich weiss, dass ich mich mit diesem Blogeintrag ziemlich unbeliebt machen werde, denn er verstösst gegen die momentan allgegenwärtige Hochstimmung. Aber trotzdem: Ich finde Fussball LANGWEILIG. Normalerweise ist das nicht weiter schlimm, ich kann ihm ja ausweichen. Nur ist das momentan nicht möglich: Wo bitte soll ich ein Bier trinken oder auswärts essen gehen, wenn in jedem Restaurant ein Bildschirm steht? Ein Bildschirm kann nicht einfach ignoriert werden, er zieht den Blick magisch an, und die nasal quäkende Begeisterung der Fussballkommentatoren ist erst recht nicht zu überhören.

Angesichts dieser Omnipräsenz finde ich Diskussionen, wie sie kürzlich in der Bund-Onlineausgabe zu finden waren, umso störender: Da streiten sich doch tatsächlich zwei Herren darüber, ob Frauen nun Fussball schauen sollen oder nicht. Die Argumente bedienen billigste Stereotypen und Klischees: David Sarasin, der das Pro vertritt, beruft sich auf die Sanftmütigkeit und den dekorativen Wert der Frauen, Philippe Zweifel begründet sein Kontra mit dem angeblich fehlenden Fussballsachverstand der Frauen. Die Perspektive der Frauen spielt keine Rolle: es geht in keinem Moment darum, ob Frauen gern Fussball schauen (wie etliche meiner Freundinnen) oder nicht (wie ich).  Es läuft alles auf das Eine heraus: Für Männer sind Frauen beim Fussball entweder störend oder optische Bereicherung. Die logische Folge wäre bei der momentanen Unausweichlichkeit der WM, dass in einem Fall (Kontra) alle, im anderen Fall (Pro) die undekorativen und weniger sanftmütigen Frauen zu Hause bleiben müssten: Frauen zurück an den Herd, überlasst die Öffentlichkeit den Männern. Das Ganze läuft zur Entschärfung unter dem Deckmäntelchen Humor, wer nicht darüber lachen will, wird in den Kommentaren als humorlos dargestellt.

Eine kleine Freude bleibt mir aber während dieser WM: die Vuvuzelas. Ich liebe sie! Sie tönen ähnlich wie die Autokorsos, die sich an der letzen WM jeweils in der Nacht durch unsere Quartierstrasse hupten. Nur muss ich sie im Gegensatz zu diesen nicht hören, solange ich mich (momentan wetterbedingt) an mein Haus und Herd-Gebot halte. Und wenn ich sie doch mal höre, kann ich mir eine leise aber erquickende Schadenfreude nicht verkneifen angesichts der Störung des omnipräsenten Fernseherlebnis…

23. Februar 2008

Von der heiligen, Eier legenden Wollmilchsau Fussball

Die nicht eben elegante Euro-Uhr auf dem Kornhausplatz in Bern zeigt es unübersehbar: Die Euro 08 rückt immer näher. Ein grosses Fest soll es werden, die Stadt überflutet mit Fussballfans, die über den neuen Bahnhofplatz richtung Altstadt strömen. Alle wollen sich ein Stück vom Kuchen abschneiden: BeizerInnen und Tourismusverantwortliche hoffen auf Rekordumsätze, in der Migros erfreuen neben anderen Extras sogar M’08-Äpfel mit weissem Schweizer Kreuz die Augen, obschon die UEFA von der Emsigkeit, mit der sich der orange Riese um die Fussballfans bemüht, nicht eben angetan ist.

Nicht eben angetan bin auch ich vom Rummel um den Ball. Nur zu gut habe ich die WM-Fans von 2006 in Erinnerung, die ihrer Freude nicht unmotorisiert mit einem Fest Ausdruck verliehen, sondern mit dem Auto die Strassen verstopften und mich mit Hupkonzerten in der Nacht aus dem Schlaf rissen - ich muss mich wohl glücklich schätzen, dass sie mich nicht gleich mit ihren schwenkenden Fahnen vom Velo gerissen haben… Angesichts der Tatsache, dass die EM im Gegensatz zur WM hier in meiner Stadt stattfinden soll, plagen mich deshalb langsam aber sicher unheilvolle Fantasien: in der Stadt kein Durchkommen mehr vor lauter Public Viewing, die Kinos geschlossen, das Aareufer übersäht von leeren Bierflaschen und ausnüchternden Fussballfans, die gemütlichen Gartenbeizen mit Fernsehern und Leinwänden jeglicher Grösse dekoriert.

Benedikt Weibel, der Euro-08-Delegierte des Bundesrats, rät im Bund-Samstaginterview von heute den Fussballmuffeln - seiner Ansicht nach handelt es sich um wenige Prozente der Bevölkerung - einen grossen Bogen um die Euro zu machen. Nicht ganz einfach, wenn frau mitten in der Stadt wohnt… Trotzdem will ich seinen Ratschlag befolgen, kratze mein Jahresferienpensum zusammen und werde mich im Juni von dannen machen.

Übrigens: nicht nur an der Ferienmesse im Januar habe ich etliche Leute mit ganz ähnlichen Plänen getroffen. Ob es etwa doch nicht so wenige sind, die vom “Volksfest” in die Flucht gejagt werden? Und zugegeben: Ein kleines bisschen Schadenfreude verspüre ich schon darüber, dass sich noch nicht einmal genügend freiwillige HelferInnen gefunden haben (Bund vom 17.2.08)…