18. August 2011

Voll(ey) die Entlarvung!

Letzes Wochenende im Wallis: Schon im Postauto fallen die jungen Männer auf, die an das Grächener Dorffest fahren, auf Neudeutsch “BeachEvent - Voll(ey) die Party”. Später sehen wir sie dann, Bierflasche in der Hand, vor der Bühne herumstehen, auf der eine erstaunlich gute Coverband spielt. Vor allem aber fallen uns die überlebensgrossen Plakate auf, die mit einem knapp bekleideten Damenhintern die Partygänger (nicht generisch…) anlocken. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass der Beachvolley-Dresscode die Frauen dazu zwingt, so nackt wie nur irgend möglich dem Ball hinterherzuhechten - das Spiel muss ja auch für die Zuschauer attraktiv sein… Dass nun ein Beachvolleyturnier nackte Frauenhaut als Lockmittel einsetzt, ist also nichts als ehrlich. Nur müsste vielleicht irgendwann Beachvolley nicht mehr als Sport, sondern als erotische Animation für Dorffeste vermarktet werden. Und dem weiblichen Partyvolk zuliebe dürften dann auch die Spieler nur noch in engen Badehosen spielen…

10. August 2011

Die Frauen waren’s!

Die Spitex beklagt an ihren Fahrzeugen Blechschäden und will mit Fahrkursen Abhilfe schaffen. So erfahren wir im Bund vom 9. August, und der Autor weiss natürlich auch, wer für die Schäden verantwortlich ist: die Spitex-Frauen. Eine logische Folgerung eigentlich: bei der Spitex arbeiten natürlicherweise grösstenteils Frauen, da sie genetisch optimal für die Pflege programmiert sind, und in unserer Gesellschaft weiss auch jedes Kind, dass Frau am Steuer Ungeheuer bedeutet. Vereinzelte Spitex-Männer können demnach getrost als Verursacher der Schäden ausgeschlossen werden. Nur eine Frage bleibt offen: Was machen wir mit den “fahrunsicheren Mitarbeitern”, die zur Vermeidung von Blechschäden in die Fahrnachhilfe müssen? Sind Frauen da für einmal beim Maskulinum nicht nur mit-, sondern ausschliesslich gemeint? Sozusagen ein Exklusivmaskulinum ganz für uns allein? Oder handelt es sich bei den Spitex-Frauen und -Krankenschwestern gar um ein generisches Femininum und wir haben den Autor gründlich missverstanden, da er Spitex-Pfleger selbstverständlich mitmeint? Es empfiehlt sich jedenfalls, bei Spitexautos Vorsicht walten zu lassen: es könnte ja ein fahrunsicherer Spitex-Frauerich oder Krankenbruder sein…

3. August 2011

Sonnenfaulenzfresstage

Pünktlich und patriotisch sind wir am 1. August wieder heimgekommen und haben auch schon einen Bürotag hinter uns. Und doch muss diese Reise auch in elektronischer Form abgeschlossen werden… Unsere günstige und zentrale Gîte in St. Martin hatte trotz allem noch einen kleinen Haken: Er hiess Caramel und war eine Katze, die nachts hereinschlich und sich spielenderweise über unsere Seidenschlafsäcke und Beine her machte. Bis wir das Vieh von unserer Galerie über den Kajüttenbetten herunterspediert hatten, war das ganze Dortoir wach…

Der letzte richtige Pass, der Col de Turini, war zwar keine Tourihochburg, aber auch sonst nicht spektakulär: eine Kreuzung mit ein paar Häusern. Aber zum Glück war Nathan vom Ehrgeiz gestochen und überzeugte mich mit Engelszungen weiterzufahren: 50 Höhenmeiter weiter eine Alpkäserei mit köstlichem Käse, noch einmal 350 Höhenmeter und wir waren auf einem einsamen Berg mit ein paar alten Forts und - vor allem - zum ersten Mal Meersicht. Der Augenblick war unglaublich und alle Anstrengungen mehr als Wert.

Authion 4

Sospel dann, das letzte Dorf in den Bergen, war ganz hübsch, aber auch leer und nass, und kein Restaurant wollte uns nach dem Abendessen noch einen Digestif servieren (Non, on ne fait pas de bar ici). Auch der letzte Pass war nix Besonderes, die Aussicht von Privatvillen versperrt. Und dann ging’s nur noch runter an den Strand in Menton - Kiesstrand zwar, aber die Stadt selber ist dafür umso schöner. Und noch selten habe ich irgendwo (auch nicht in Italien) so gut italienisch gegessen: Kleine Restaurants von italienischen Familien geführt, günstig und der Digestif ging sowieso immer aufs Haus. Falls wir auf den Pässen irgendwelche Kilos verloren haben sollten, haben wir sie uns in Menton bestimmt wieder angefuttert!

Menton 1

Die Fahrt letzten Samstag nach Nizza war kurz, aber stressig - wer will denn schon in der Hochsaison der französischen Riviera entlang fahren? Aber am Abend die Belohnung: nach fünf Jahren kehrten wir in das beste vegetarische Restaurant ever (lasse mich gern eines Besseren belehren!) zurück: la Zucca Magica. Die Wahl hat man eigentlich nur zwischen rotem und weissem Wein, und dann wird eine Köstlichkeit nach der anderen aufgetragen, je nachdem, was der Chef morgens auf dem Markt gefunden hat. Noch einmal einen Tag Lädelen, Spaziervelofahren und Baden im Meer, und dann ging’s auch schon zurück im TGV (wie immer mit etlichen Hirnis, die nicht lesen können und das Veloabteil im Zug mit übergrossen Koffern zupflastern). Die ganze Reise war fantastisch, und zwar hinsichtlich Landschaft, Leuten, Erlebnissen usw. Kann sie nur wärmstens zum Nachahmen empfehlen!

Villefranche

Noch ein paar praktische Hinweise…

für NachahmerInnen und Informationsgoogelnde:

  • Unterkünfte: Günstige Unterkünfte gibt’s überall am Weg. Wer ganz billig unterkommen will, in Tour de France-Zeiten und -Gebiet unterwegs ist oder auf Nummer sicher gehen will, reserviert vorher per Telefon (braucht Geduld, meistens erreicht man erst beim dritten oder vierten Versuch jemanden). Sonst findet sich meistens auch so ein brauchbares Zimmer. Die Gîtes de France sind günstig und meistens sehr komfortabel (gibt aber grosse Unterschiede bei Preis und Ausstattung), aber nicht immer sehr zentral gelegen. Einige finden sich in Verzeichnissen (z.B. http://www.gites-de-france.com/), aber noch viel mehr liegen am Weg. Campingplätze hat’s natürlich auch, Zelt war uns aber zu schwer zum Mitschleppen.
  • Essen: Am günstigsten fährt man mit Halbpension. Aufpreis war bei uns meistens zwischen 10 und 20 Euro, dafür gab’s neben Frühstück (mager, süss und für sich allein mit 6-10 Euro sehr teuer) und Abendessen oft auch noch Wein und Kaffee, einmal sogar Aperitif. In den Alpen fanden wir oft Marktstände, die feinen Käse u.ä. verkauften.
  • Infos zur Strecke: Infos zur “Route des Grandes Alpes” im Internet;  Kartenmaterial vom Institut Géographique National, Top 100 Tourisme et découvert, Kartennummern 144, 151, 158, 165 (mir allerdings nicht ganz klar, weshalb auf einer Karte für Velos und WandererInnen Autobahnraststätten, nicht jedoch Picknick- und Campingplätze eingezeichnet sind…); Bücher: Stefan Pfeiffer, Südost-Frankreich per Rad, Neuenhagen, Kettler, 2009 (Ausgabe von 2003 teilweise sehr ungenau und mit einigen falschen Angaben) und Rudolf Geser, 100 Alpenpässe mit dem Rennrad, Bruckmann, 2008 (halt für Rennvelos, aber Karten, Höhenprofile und Streckenbeschreibungen gut). Und dann noch ein Bundartikel.

Authion 6

24. Juli 2011

Dem Meer entgegen

Noch eineinhalb Pässe bis zum Meer… Eigentlich sind wir ja froh, wenn die Höhenmeter irgendwann zu Ende sind und wir haben uns ein paar Mal gewünscht, mal wieder flach Kilometer zu fressen, anstatt uns jeden Meter zu erkämpfen. Andererseits sind wir schon etwas traurig, wenn die schönen, ruhigen Berge zu Ende sind und wir im Getümmel an der Côte  d’Azur ankommen. Und irgendwie wurmt es schon, dass wir nicht von Anfang an die Route des Grandes Alpes gefahren sind…

Gorges de Daluis

Inzwischen sind wir in St. Martin-Vésubie angelangt (Gîte: juhu, billig und zentral!). Das Dorf ist ja ganz nett, aber nach der letzten Station können uns piktoreske Dörfer nicht mehr so schnell aus den Socken hauen: zufälligerweise sind wir gestern in Roubion gelandet, einem verträumten Nest an einem Felshang, das vom Tourismus (zum Leidwesen der Ansässigen, zu unserem Glück) noch kaum entdeckt worden ist. Übernachtet haben wir in einem alten renovierten Haus bei zwei Gastgeberinnen, die uns sogar Käse zum Frühstück serviert haben (hier eine Seltenheit, am Morgen gibt’s sonst vor allem Süsses, so dass wir meistens schon auf halber Passhöhe vom Hunger nach Salzigem heimgesucht werden…). Und am Abend  bei schönster Aussicht ein Jazzkonzert…

Roubion 1

Nach dem Vars-Pass hatten wir uns nach langem Hin und Her gegen die Überquerung des Col de la Bonette entschieden: 1700 Höhenmeter versprachen einerseits ein unschlagbares Ankunftserlebnis, andererseits hatten wir nicht wirklich Lust diesen Höhenunterschied auch tatsächlich zu bewältigen… Wir haben unseren Entschluss nicht bereut, denn so sind wir in Barcelonnette durchgekommen, wo just letzte Woche ein Jazzfestival stattfand und wir noch Billets für ein Open Air-Konzert von Gotan Project bekamen. Die Stimmung war super, das Konzert gewaltig und gegen die Kälte half der sehr feine Glühwein. Am nächsten Tag ging’s weiter über den Col de la Cayolle, etwas weniger hoch als die Bonette, aber landschaftlich mit mehreren Schluchten sehr lohnend.

Col de la Cayolle 1

Seither ist die Landschaft zwar immer noch gebirgig, aber doch nicht mehr so swisslike: Die Täler sind sehr eng, dafür wird’s oben weiter, also sind die Passfahrten unten steil und oben flach (anfangs war’s umgekehrt). In diesen Hochtälern (eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Emmental ist nicht abzustreiten) finden sich hübsche Dörfer mit recht ursprünglicher Architektur, aber irgendwo in der Höhe trifft man bestimmt auch auf ein Winterresort, dessen Hotels und Feriensiedlungen auffällig den Schweizer Zweitwohnungssiedlungen (Riesenchalets ohne Dorfzentrum) gleichen - sogar unser Pass heute (Col de St. Martin) hat sich als solches Retortendorf herausgestellt. Aber schon auf der Abfahrt überwiegten schon wieder die schönen Aussichten und machten Lust auf die Weiterfahrt morgen über den Col de Turini nach Sospel.

Colmiane

20. Juli 2011

Hohe Pässe und nasse Städte

Eigentlich sollte ja schon lange ein Blogeintrag zu dieser Reise entstehen. Aber in Frankreich hat’s zwar überall WiFi, aber Internetcafés sind selten und auf dem Handy schreiben ist dann doch etwas mühsam… Aber jetzt sitze ich in Vars, einem Wintersportgebiet auf knapp 1800 m, jetzt im Sommer ziemlich leer - aber mit Compi im Hotel.

Vor einer Woche, am 13. Juli, sind wir in Genf gestartet - ohne Zelt, denn für die Pässe haben wir eh schon zu viel Gepäck. Die Strecke bis Annecy und die Stadt selber waren vor allem nass: Der Start der diesjährigen Velotour hat also nahtlos an die letztjährige angeschlossen. Am nächsten Tag sind wir dann bei schönstem Wetter und zu unserer Überraschung auf einem super Veloweg (sozusagen eine autolose Autobahn) bis Albertville und dann doch immer noch recht gemütlich auf Velostreifen bis St. Léger gefahren. Dort hat leider die Umsetzung unseres Plans, billig in den Gites d’étape zu übernachten, nicht geklappt: die Gite war von einer Hochzeit besetzt, dafür offerierte uns der schon recht lustige Proprietaire genügend Champagner zur Stärkung, damit wir es noch bis nach St. Etienne de Cuines ins Etap-Hotel schafften. Im einzigen Restaurant, das am 14. Juli weder zu noch voll war, sass auch dann schon der inzwischen noch lustigere Gite-Besitzer aus St. Léger und lud uns zum Apéro ein…

Am Freitag ging’s los mit den Pässen: zuerst der Col de Télégraphe nach Valloire (Gite-Vorsatz nicht umsetzbar, da Reservation wegen hospitalisiertem Besitzer nicht geklappt hat), am Samstag über den Col du Galibier nach Briançon: Beide Pässe mit viel Verkehr, Autos, Rennvelos und (mühsamen, lauten und viel zu schnellen) Töffs. Die RennvelofahrerInnen feuern uns freundlich an, wenn wir keuchend unsere Velos hochschieben (was allerdings sehr viel weniger vorkommt als an der Grossen Scheidegg, die wir uns an Pfingsten als Training auferlegt hatten), und wir studieren die Schriftzüge auf den verschiedenen Tenüs: Ich würde allerdings darauf verzichten, mir “Aus Liebe zum Auto” oder “Liquigas” auf den Hintern zu schreiben… Oben am Galibier war schon jede Kurve von einem oder mehreren Wohnmobilen besetzt, deren BesitzerInnen dort bis zur Durchfahrt der Tour de France fünf Tage später auharren.

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In Briançon hat die Gite-Reservation funktioniert, die Unterkunft (www.lechampdeblanc.com) war effektiv nur (wie im Internet herausgefunden) 30 m höher als die Stadt gelegen, allerdings (wie im Internet nicht herausgefunden) auf der anderen Seite des Tals… Aber es hat sich gelohnt, die Aussicht war prächtig und das Zimmer perfekt, um vor dem Regen zu flüchten. Denn auch Briançon war nass, und wir hatten Seen in den Schuhen, bevor wir auch nur eines der vielen Forts besichtigen konnten.

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Vorgestern ging’s bei schönstem Wetter weiter über den Col d’Izoard, der zwar nicht ganz so hoch ist wie der Galibier, aber landschaftlich faszinierend und vor allem viel weniger befahren. Nach der wunderschönen aber anstrengenden (Gegenwind) Abfahrt sind wir in Guillestre in der perfekten Gite gelandet: billig, bestens ausgerüstete Küche und Crêpes-kochende französischen Touristinnen.  Wir (also ich, Nathan brauchte länger, um den Schaden zu verkraften) schauten dann auch grosszügig darüber hinweg, dass die Cheffin, sobald sie unsere Weinflasche entdeckt hatte, innert einer halben Minute zwei Gläser davon exte.  Auch Guillestre war nass, so dass wir den gestrigen Tag vor dem Fernseher (Tour de France) verbrachten, bevor wir am Abend mit dem Zug nach Gap fuhren, um die Einfahrt der Tour zu schauen. Ihre Durchfahrt heute in Guillestre war allerdings spannender: die Fahrer flitzten zwar sehr schnell vorbei, aber wir waren sehr dicht am Feld dran, das ziemlich geschlossen unterwegs war. Anscheinend besuchen ja 60% der Franzosen und Französinnen die Tour nur wegen der Werbekarawane (Unsere Beute: 3 Hüte, wovon einer wieder verschenkt, 1 Buff, 2 Päckli Haribo, 1 Päckli offizielle Tour-Madeleines, 1 Päckli Apérogebäck, 2 aufblasbare Gummiteils zum Lärm machen und 1 Flaschenöffner). Um drei Uhr nachmittags sind wir in der Nachmittagshitze (nicht mehr nass) hierher nach Vars heraufgefahren. Und morgen kommen wir hoffentlich rechtzeitig irgendwo an, um die Tour de France-Etappe über Izoard und Galibier noch einmal im Fernsehen erleben zu können.

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11. Juli 2011

Autofahren, geliebter Leidensquell

Nun haben wir uns also in den USA einen Namen gemacht als Land, das sich eine Freude daraus macht, Blechkarrossen und ihre Insass/innen zu quälen - so zu lesen im Blick am Abend vom 4. Juli 2011. Die Leier ist ja altbekannt: zu rote Ampeln, zu wenig Parkplätze, zu viele Velos… Doch die New York Times, zitiert im Schweizer Abendkäseblatt, gibt noch einen obendrauf: Verkehrsplaner/innen machen Überstunden, um Autofahrer/innen zu ärgern, und 91 Prozent der Parlamentarier/innen fahren mit dem Tram zur Arbeit! Skandalös erscheint sowohl dem Blick am Abend wie auch der New York Times die Aussage, dass Pio Marzolini als Fussgänger nicht weniger wert sein will als ein Auto, und er selber relativiert seine Aussage später gleich selber. Das der Umkehrschluss gilt, habe ich ja schon länger befürchtet…

Rathausgasse Parkverbot

Denn vielleicht sollte auch mal wieder daran erinnert werden, was Menschen mit beschleunigter Blechhülle alles explizit oder zumindest implizit erlaubt ist: Sie dürfen, mehrheitlich ungestraft, den schwächeren Verkehrsteilnehmenden den Vortritt nehmen, sie dürfen ihr Gefährt stehen lassen, wo es ihnen grad beliebt, sie haben, wo nicht anders vermerkt, stets Vortritt vor Fussgänger/innen, und wenn sie mal versehentlich eine/n solche/n über den Haufen fahren, sind die Strafen vergleichsweise mild.

Verwöhnt, wie sie sind, möchten sie natürlich auch nicht auf ihre wohlerfahrenen Subventionen verzichten und verpassen sich, wie in Bern geschehen, am liebsten gleich selbst per Initiative Steuergeschenke. Die Mär von den heiligen Milchkühen der Nation wird  immer wieder gern bedient. Dass sie nicht stimmt, hat grad eben wieder eine Berechnung des Kantons Bern gezeigt: die motorisierten Wohltäter/innen der mobilen Gesellschaft kommen nicht einmal für die von ihnen verursachten Kosten auf, wenn grosszügigerweise Gesundheits- und Umweltschäden nicht mitberechnet werden (Bund vom 27. Juni 2011). Wann sind Menschen wieder mehr wert als Autos?