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6. Juni 2010

Moderne Hexenjagd

Die Schweiz hat ein neues Feindbild, die Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Bern. Hintergrund ist der von ihr herausgegebene Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache, ein Teil des städtischen Aktionsplans für Gleichstellung. Was eine solche Massnahme für Kommentare auf den Online-Foren auslösen kann, ist klar, schliesslich sind diese nicht bekannt als Intelligenzkonzentrat: “Muss ich jetzt Salzstreuerin sagen und das noch mit meinen Steuern bezahlen?” Wirklich erschreckend ist, dass der nationale Aufschrei von den Medien nach Kräften angeheizt wird, vermutlich um möglichst viele Klicks auf der Online-Ausgabe zu generieren. Um objektive Berichterstattung geht es dabei sicher nicht mehr, es fehlen nur schon jegliche Links zum Berner Sprachleitfaden, die Artikel könnten ja sonst als masslose Übertreibung entlarvt werden… Der Blick schreckt auch vor diffamierenden Lügen nicht zurück: das schon im Titel erscheinende “Elter”, das von der Stadt Bern an Stelle von Mutter oder Vater vorgeschrieben werde, findet sich im Berner Leitfaden gar nicht. Im sehr viel ausführlicheren Leitfaden des Bundes findet sich das Wort (das effektiv auch im Duden zu finden ist), allerdings nur als Beispiel für geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen (ohne Vorschriftscharakter) mit dem Vermerk “sehr selten”. Auch der Tagesanzeiger-Autor Daniel Foppa stellt sich absichtlich dumm, um möglichst empörte Kommentare zu provozieren: In seinem Artikel, der mitnichten als persönliche Meinung gekennzeichnet ist, bittet er die Leserinnen und Leser, “diese Spracherziehung à la Nordkorea”, “diesen höheren Blödsinn” mit lächerlichen Neuerfindungen ad absurdum zu führen, und führt gleich selber “Kindlifresserin-Brunnen” und “Bärinnengraben” als Beispiele an. Dass dem Lesepublikum nicht bewusst ist, dass es beim Berner Sprachleitfaden nicht um “Computerinnen und Computer”, “Personeriche” oder ähnliches geht, erstaunt nicht weiter, wenn aber Daniel Foppa es nicht besser wüsste, wäre er als Journalist eine Zumutung. Ansonsten täte er besser daran, die Hintergründe für solche Sprachregelungen zu beleuchten: Grammatikalisches und biologisches Geschlecht bei Personenbezeichnungen, für die ein Maskulinum und ein Femininum existieren, müssen übereinstimmen. “Der Bär” ist keine Personenbezeichnung, und der “Kindlifresser” auf dem Brunnen ist als Person effektiv männlich, mit seinen Beispielen macht sich Foppa also selbst lächerlich und nicht die Fachstelle. Es ist zu hoffen, dass dies der Tages-Anzeiger oder doch zumindest einige Leserinnen und Leser realisieren und daraus Konsequenzen ziehen. Als Wunsch bleibt mir, dass in dieser Diskussion auch noch Personen zu Wort kommen, die besser wissen, worum es geht, als der Durchschnittschweizer (90% der Kommentare sind von Männern geschrieben…) und so das von den Medien erschaffene Zerrbild noch ein wenig korrigieren können.

22. September 2009

Verkaufsförderung à la Blick

Wieder einmal ist mir schmerzlich bewusst worden, in welcher Welt wir leben: Der Blick will mit nackten Frauen die Verkaufszahlen erhöhen (Interview Bund online). Im Gegensatz zu den “Miezen”, die früher auf Seite 3 erschienen und extra “gezüchtet” worden sind, dürfen sich heute die Leserinnen ausziehen und von einem Profifotografen ablichten lassen. Und damit die Käuferschaft auch angelockt wird, werden sie ihre Reize gleich auf der Titelseite enthüllen. Ob der Begleitspruch, der laut dem ehemaligen Chefredaktor Übersax nicht schlüpfrig, sondern nur eine “Gratis-Zugabe” war, uns weiterhin beglücken wird, verrät er nicht. Bleibt zu hoffen, dass die Blickleserinnen das sexistische Verkaufsförderungsspielchen nicht mitmachen, sondern den Blick samt Profifotografen meiden: mal sehen, wie viel Spass die unschlüpfrigen Spruchbeigaben ohne nackte Leserinnenhaut den anvisierten Käufern machen. Auf Fotos von entblössten Blicklesern verzichte ich dagegen freiwillig, scheinen mir diese doch nicht zur attraktivsten Spezies zu gehören…