Hollstein zum Zweiten
Es ist schon erstaunlich, wie in ihrer Männlichkeit verletzte Schaumschläger immer wieder eine Plattform erhalten, während kritische Gegenstimmen nicht oder nur selten zitiert werden. Bei den Medien gibt es offensichtlich eine gewisse Tendenz zur Zensur und meine kritischen Leserinnenbriefe werden kaum mehr abgedruckt. Deshalb hier mein bisher ungewürdigter Kommentar zum Interview mit Walter Hollstein im Migros-Magazin vom 12. Juli 2010:
Wie Walter Hollstein bin ich der Meinung, dass die Gleichstellung der Geschlechter nicht nur Frauen etwas angehen darf. Der Wunsch des Männerforschers ist aber bereits erfüllt: Schweizer Gleichstellungsprojekte richten sich heute grösstenteils an beide Geschlechter. Anders als Hollstein rekurrieren sie aber nicht auf die biologistische Unterscheidung von typisch männlichen und typisch weiblichen Fähigkeiten und Eigenschaften: Annahmen wie die, dass Frauen von Natur aus sprachlich, Männer naturwissenschaftlich begabter sein sollen, sind inzwischen widerlegt, belegt ist dagegen, dass die Unterschiede innerhalb der Geschlechter grösser sind als diejenigen zwischen den Geschlechtern. Hollsteins Unterteilung in eine natürliche Weiblichkeit und eine natürliche Männlichkeit läuft seiner Forderung nach mehr Flexibilität zuwider: Flexibilität bedeutet, dass Frauen und Männern, Mädchen und Jungen die ganze Palette an Eigenschaften und Gefühlen offen steht, dass sie also Stärke und Schwäche, Aggressivität und Empathie fühlen und zeigen dürfen, ohne sich deswegen unnatürlich vorzukommen. Folglich hat heute nicht die Männlichkeit - von der es meines Wissens nie eine “verbindliche Definition” gegeben hat - ein schlechtes Image, sondern die einseitige Festlegung von Männlichkeit auf wenige Eigenschaften wie Kampfgeist, technische Begabung und Aggressivität. Wem echte Gleichstellung ein Anliegen ist, wird sich auch in Zukunft für die Abschaffung solcher gedanklicher Barrieren einsetzen. Schön, wenn die Männer da mitziehen.
Am 20. Juli 2010 um 18:45 Uhr
Zensur hat beim Migros-Magazin eine lange Tradition, wie der Blogger Ugugu zeigte
Spass beiseite: Ich bin 100-prozentig einverstanden mit Deinem Leserbrief. Mir geht das Geklöne à la Hollstein (und Allan Guggenbühl) auch schon lange auf die Nerven. Buben müssen kämpfen und rennen: Was für ein platter Unsinn. Als Bub wollte ich nie kämpfen, ich empfand das aber nicht als Defizit (im Gegensatz zu meinem Vater, der fand, ich sei zuwenig kämpferisch). Es müssen ja nicht alle Buben kämpfen und rennen. Dass heute noch auf so klischeehafte und oberflächliche Weise über das Thema diskutiert wird, ist schade.
Am 21. Juli 2010 um 08:49 Uhr
mein Beifall!
Solche Interviews führen dazu, dass Stellen in den Gleichberechtigungsbüros von Männer besetzt werden sollen/werden. Weil Frauen ja inzwischen keine Benachteiligung mehr zu befürchten haben? Da spielen dann Qualifikationserfordernisse nicht mehr die grosse Rolle - eine negative Frauenquote halt.
Am 21. Juli 2010 um 10:08 Uhr
Stimmt… Wobei durchaus auch Gleichstellungsstellen durch Männer besetzt werden dürfen, aber sicher nicht durch solche, die solch veraltete Rollenbilder propagieren. Ich finde es auch immer wieder erstaunlich, dass ein emeritierter Professor so oberflächlich arbeitet…