22. Juni 2008

Von der schoensten Strasse der Welt und den Launen des Wetters

Schon ist wieder ueber eine Woche vergangen seit dem letzten Eintrag. Inzwischen sollten der Link zu Flickr, wo alle Fotos unzensiert zu bewundern sind, funktionieren. Wir waren am Sonntag tatsaechlich mit Bus und Schiff beim Maligne Lake. Mein Knie war allerdings vom engen Bus nicht viel begeisterter als vom Velo Fahren und die Landschaft war zwar wunderschoen, da wir aber von einer Scheibe von ihr getrennt waren, fuehlte es sich eher wie Fernsehen an. Jedenfalls waren wir am naechsten Tag ganz enthusiastisch fuer die Weiterfahrt ueber den Icefields Parkway. Die Abfahrt verzoegerte sich noch ein bisschen durch zwei weitere Platten, aber dann ging’s los. Wir hatten Lebensmittel fuer mehrere Tage dabei, da es auf der 230 km langen Strasse kaum Einkaufsmoeglichkeiten gibt.

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Entgegen aller Versprechungen unserer Velofuehrer hatten wir fast durchgehend Gegenwind, so dass wir nicht ganz so schnell vorwaerts kamen, wie erhofft. Am Montag war’s dafuer noch nicht so huegelig und wir kamen an den schoenen, wenn auch nicht sehr einsamen, Athabasca-Faellen vorbei. Der Zeltplatz Ende Etappe war (noch) geschlossen, und da wir nicht mehr bis zur naechsten Jugi fahren mochten, blieben wir bei den noch viel schoeneren und (am Abend) einsameren Sunwapta-Faellen in einer Lodge. Das Essen dort war so herrlich, dass wir unsere Lebensmittel gerne noch einen Tag laenger mitschleppten.

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Am naechsten Tag ging’s auf 2000 Meter hoch. Kaum hatten wir den Hang geschafft, wurde uns von einem aelteren Paar von Zeugen Jehovas Wasser angeboten. Sie waren ja sehr nett und noch sehr verliebt, nur als sie anfingen davon zu sprechen, dass es mit der Welt rapide bergab geht, und uns Wachturm und aehnliche Schriften mitgaben, wurde es uns etwas unbehaglich. Die Stimmung wurde gerettet mit Adressen Austauschen und gegenseitigem Fotografieren.

Im Icefields Centre wurden uns Schnee und Temperaturen unter 0 Grad prgonostiziert, so dass wir beschlossen, aufs Zelten zu verzichten. Die nahe gelegene Jugi, die sie uns in der Information in Jasper empfohlen haben, ist vor fuenf (!) Jahren abgebrannt, so dass wir uns schweren Herzens noch einmal eine Nacht in einem ueberhitzten Hotelzimmer leisteten. Das Essen war ueberteuert und durchschnittlich, dafuer mit Blick auf den Gletscher. Am naechsten Morgen durften wir uns dann doch noch von einem Teil unseres Essens trennen, da das offene Muesli Geschmack nach Benzin hatte (wohl von unserem Kocher). So ging’s dann nach nicht allzu reichlichem Fruehstueck weiter, zuerst auf eine kurze Wanderung, die auch nicht soo grandios wie versprochen war. Kurz darauf kam der Schnee, dann ein Schlauchwechsel an Nathans Velo, darauf die erste gesprochene Speiche an meinem Velo (zum Glueck hatten wir die Notfallspeiche dabei…) und 200 Meter weiter gleich auch noch die zweite… Waehrende der Reparaturen fing der Schneesturm an, und mit Handschuhen und klammen Fingern kaempften wir uns gegen den Wind und das Wetter in die Tiefe. Die eigentlich wunderschoene Abfahrt war kein Vergnuegen mehr, und wir waren froh um den Tee, den wir am Morgen noch in die Thermosflasche gefuellt hatten.

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Im Tal wurde das Wetter besser, die Landschaft begeisterte uns immer mehr, aber da es schon recht spaet war, machten wir an dem Tag nur ungefaehr 40 Kilometer bis zur naechsten Jugi (der Waterfowl Lake Campground waere eh zu gewesen…). Dies war ein Gluecksfall: kurz nach uns kam eine Gruppe kanadischer VelofahrerInnen an, die von Vancouver aus Kanada durchqueren. Einer hatte die noetigen Werkzeuge dabei, um mein Rad auseinander zu nehmen, so dass wir die Notfallspeiche ersetzen konnten. Aber auch sonst war die Jugi ein Volltreffer: zwar weder Dusche noch Warmwasser, dafuer wunderschoen gelegen und mit Sauna am kleinen Bach.

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So waren wir am naechsten Tag gewappnet fuer die 95-Kilometer-Etappe nach Lake Louise, auf der wir auch den hoechsten Punkt per Velo erreichten. Das Wetter entschaedigte uns fuer den Schneesturm am Tag vorher und die Landschaft wurde immer grossartiger: weite Taeler, klare Fluesse, die Berghaenge bewaldet und immer mehr leuchtend blaue Seen. Der schoenste davon war Peyto-Lake vom Bow Pass aus gesehen, leider mussten wir den Anblick mit sehr vielen anderen Leuten teilen. Nach einer grandiosen Abfahrt trafen wir relativ spaet auf dem Campingplatz in Lake Louise ein, wo wir noch ein Berner Paar trafen, das sechs Monate mit dem Velo in Suedamerika unterwegs war und jetzt noch sechs Monate Kanada anhaengt. Die Idee, ein Feuer zu machen und das Zncht zu braeteln, war nicht wirklich vernuenftig: nach langem Kampf brieten wir unsere “hausgemachten” Vegiburger beim Eindunkeln in der Pfanne.

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Unser Pausentag in Lake Louise fing dementsprechend spaet an, und aus der kleinen Wanderung ob dem schoenen See, dessen Ufer durch einen grauenhaften Luxusschuppen verschandelt ist, wurde eine berggeisstaugliche 17-Kilometertour. Diese Tour war etwas vom Schoensten auf unserer Reise: das Teehaus beim Gletscher, die Aussicht ueber das Bow Valley und die Rockies und vor allem der noch halbgefrorene Lake Agnes. Beim Zelt waren wir erst gegen 22 Uhr wieder, die Sonne geht gluecklicherweise erst spaeter unter…

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Gestern fuhren wir die kurze Etappe von Lake Louise nach Banff, unterwegs besuchten wir den komplett mit Auto-TouristInnen ueberloffenen Johnston Canyon und wegen einem Platten auf dem Highway kurz vor Banff, kamen wir schlussendlich doch nicht so frueh an. Da der Campingplatz auf einem Huegel ob dem Dorf ist und wir schon recht geschafft waren, leisteten wir uns ein nicht ganz billiges Hotel. Dies hat aber immerhin den Vorteil, dass ich heute mein Velo von einem Mech anschauen lassen kann und der mir mein Rad wieder etwas richtet, auf dass es es noch bis Calgary schafft. Das Wetter ist nicht mehr so strahlend schoen, richtig perfekt um ins Internet zu gehen und zu waschen. Und sobald ich mein Velo wieder habe, geht’s auf zu den Hot Springs…

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Eine Reaktion zu “Von der schoensten Strasse der Welt und den Launen des Wetters”

  1. marianne

    Hallo zusammen, wenn ich diesen Kommentar schreibe, seid ihr ja bereits in Calgary eingetroffen. Eure Reiseberichte machen einem ja schon etwas gluschtig, wobei ich dies vermutlich nicht mehr schaffen würde. Nun wünschen wir euch noch einen guten Rest und einen angenehmen Heimflug und freuen uns, eure Reiseberichte auch noh direkt von euch zu hören.

    Liebe Grüsse Mami und Papi

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